Als das Licht ging

Wenn die Welt für einen Moment innehält – Ein Tag im Blackout

Ich sitze im Café.
Vor mir mein Laptop.
Eine Tasse Kaffee.
Mein geliebtes Sudoku-Heft.
Der Mittag atmet Routine: Schreiben, Postings vorbereiten, Bewerbungen durchsehen, am Roman feilen.
Später möchte ich noch meine Lieblings-Heiße-Schokolade trinken (obwohl es durchaus warm ist heute).

Ein Tag wie viele – bis plötzlich der Strom geht.

Zuerst lächeln alle.
Ein kurzer Ausfall. Ein technisches Versehen?
Man bleibt sitzen.
Trinkt weiter.
Vertraut darauf, dass die Dinge bald wieder ihren gewohnten Lauf nehmen.

Doch die Minuten dehnen sich.
Die Kaffeemaschine schweigt.
Die Gespräche verstummen.
Neue Gäste kommen, werden vertröstet.
Das Café leert sich.
Die Straßen füllen sich.

Einige holen Stühle heraus und setzen sich draußen auf den Asphalt, als könne die Sonne retten, was das Netz verloren hat.
Man wartet.
Aber auf was eigentlich?

Kein Internet.
Kein Mobilfunk.
Keine Nachrichten.
Nur Gerüchte, die zwischen den Straßenecken flüstern:
"Ganz Spanien betroffen."
"Vielleicht ein Anschlag."
"Vielleicht... etwas anderes?"
Ein Freund meint:
"Aliens!”

Doch egal, was es ist: plötzlich stehe ich inmitten dieser Stille.
Mitten in einer Welt, die immerzu rauscht – und jetzt einfach anhält.

Blackout als Spiegel unserer Abhängigkeit

Ich merke, wie tief wir verstrickt sind.
In Steckdosen.
In Bildschirme.
In Signale, die durch uns hindurchströmen wie unsichtbare Nervenbahnen.

Was bleibt, wenn diese Verbindungen reißen?

Ein leeres Sudoku.
Ein schwarzer Laptop.
Eine Stadt, die auf den Asphalt hinausschaut…
und wartet.

Es ist nicht die Dunkelheit, die uns beunruhigt.
Es ist die Ungewissheit.

Was bleibt, wenn alles verstummt?

Vielleicht genau das:
Stille.
Zeit.
Ein Moment, der nicht gefüllt werden kann – sondern ausgehalten werden will.
Manchmal ist ein Stromausfall keine Katastrophe, sondern ein Moment echter Stille.

Vielleicht geht es in solchen Momenten nicht darum, sofort Lösungen zu finden.
Sondern darum, Fragen zu stellen:

  • Wie viel Kontrolle brauchen wir wirklich?

  • Wie viel Verbindung brauchen wir wirklich?

  • Wie viel davon ist echt – und wie viel nur ein Stromkabel weit entfernt?

Eine Zukunft, die anders atmet

Der Strom kam später zurück.
Nicht überall.
Nur teilweise.
Vorsichtig.
Einige Ampeln blieben dunkel, manche Häuser auch.
Mobiles Internet? Fehlanzeige.
Es fühlte sich nicht mehr selbstverständlich an, wenn ein Bildschirm aufleuchtete oder ein Handy vibrierte.

Vielleicht brauchen wir solche Momente.
Nicht als Katastrophe, sondern als Erinnerung.
Dass echte Verbindung nicht über Funkmasten läuft.
Dass Resilienz nicht in Cloud-Diensten gespeichert ist.
Und dass der wahre Herzschlag einer Stadt nicht im WLAN,
sondern im Warten, im Aushalten und im Miteinander pulsiert.

Vielleicht ist der wahre Blackout nicht der Verlust von Strom.
Sondern das unmerkliche Verblassen unserer Fähigkeit zur echten Verbindung,
zur inneren Stärke und zum menschlichen Miteinander –
lange bevor der erste Bildschirm schwarz wird.


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Zwischen Atem und Augenblick